In Zimmerwald BE steht das 1651 gebaute und 1738/41 aufgestockte Ofenhausstöckli. Andreas und Roni Kull haben es 2006 aus einer Erbgemeinschaft erworben und renoviert. Seither benutzen sie es als Ferienhaus. Seit September 2014 wird es neu auch durch Ferien im Baudenkmal vermietet.
Text: Marco Guetg, Journalist, Zürich
Roni und Andreas Kull haben den Kaffee bereitgestellt. Vor dem Haus sitzt ihr jüngster Sohn und werkelt im Garten. Eine Viertelstunde später taucht der mittlere auf. Nur die älteste Tochter wird an diesem Samstagnachmittag nicht im Stöckli erscheinen – dafür aber die Grosseltern. Und sie kommen mit Geschichten. Es ist die Ahnenlinie von Grossmutter Barbara Kull, geborene Streit, die hier ihre Lebenszeichen gesetzt hat. Als schliesslich alle in der Stube sind, erzählen und erklären, wird klar: Das Ofenhausstöckli ist eine Familien- und eine Herzensangelegenheit. Später, beim Rundgang, wird Barbara Kull sagen: «Ich bin sehr glücklich darüber, dass das Stöckli in der Familie geblieben ist.»
Der Ort ist idyllisch. Das Haus grenzt an den «Gantrisch Naturpark» und ist umgeben von drei Bauernhöfen. Dieses ländliche Ensemble bildet den Weiler Niederhäusern bei Zimmerwald, jenem Ort wenige Kilometer südlich von Bern, der Historiker hellhörig werden lässt. Denn hier diskutierte am 5. November 1915 der russische Revolutionär Lenin mit seinen Schweizer Genossen über einen geplanten Landesstreik. Nächsten Herbst wird in der Region an die «Zimmerwalder Konferenz» gedacht und somit wieder detailliert ins Licht gerückt, was über Jahre lieber im Dunkeln gelassen wurde. Nur die Tschütteler erreichte die teils dekretierte Verdrängung nie. Noch heute gibt es in Zimmerwald einen FC Lenin.
Rückbau beim Umbau
Reminiszenzen eines Ortes. Der Besucher erfährt davon in der Stube des Ofenhausstöckli. Der Raum ist gross und hell und schlicht möbliert. Ein Tisch, ein Sofa. Als Blickfang steht ein hellblauer Sandsteinofen im Kontrast zu den getäfelten Wänden. Die Südseite strukturieren fünf Sprossenfenster und geben den Blick frei hinüber zum Dreigestirn Eiger, Mönch und Jungfrau.
Roni Kull, Architektin, sitzt am Tisch, schiebt dem Besucher eine Sichtmappe zumit ein paar fotografischen Impressionen vor dem Umbau und sagt: «Früher wurde ein Fenster versetzt und eines ganz entfernt.» Beim Umbau erfolgte ein Rückbau. Ein Aperçu von vielen, von denen berichtet wird. Denn Roni Kull hat mit Sukkurs ihres Schwiegervaters und Architekten Erwin Kull den Umbau entworfen, begleitet von der kantonalen Denkmalpflege. Denn das Ofenhausstöckli mit seiner für die Region atypisch bemalten Fassade ist denkmalgeschützt.
Der Umbau erfolgte in den Jahren 2006/07. Roni Kull erzählt vom allmählichen Herantasten an dieses historische Objekt, vom steten Abwägen zwischen Bewahren und Verändern. Ein kleiner Eingriff mit grosser Wirkung geschah in der Stube, wo einst hinter dünnen Brettern eine Kammer stand. Die Trennwand ist weg und die Stube nun lichte 26 Quadratmeter gross – und um ein bis anhin verborgenes Detail reicher: Nachdem an der Stubentüre die letzte Farbschicht abgelaugt worden war, kamen figurativ geschmiedete Beschläge zum Vorschein, die diese einst bäuerliche Stube nun besonders ornamentieren.
Küche als Drehpunkt des Hauses
Neu ist auch die Treppe in der Stube. Sie führt hoch zu zwei einzelnen erschlossenen Zimmern. In einem erhellt ein neues Dachfenster (Roni Kull: «Ein einziges hat die Denkmalpflege hier gestattet») das einst düstere Gemach. Im anderen wölbt sich die Kaminhutte in den Raum und verrät, was darunter liegt: die Küche. Früher erfolgte der Zustieg von dort aus. Jetzt ist die einstige Rauchküche mit ihren russschwarzen Balken ein Drehpunkt des Hauses. Wer ankommt, betritt gleich die Küche. Von hier aus erreicht man den Wohnraum wie den Laubengang. Damit niemand bei Tageslicht im Dunkeln tappt, wurden die Mauern im Riegelwerk an zwei Stellen entfernt und durch Glasscheiben ersetzt. Und wo einst die Treppe stand, wurde eine Dusche samt WC eingebaut. Ein neuer Körper, der sich mit seinen matten, lichtdurchlässigen Glaswänden unauffällig ins Ganze reiht.
Das Ofenhausstöckli und seine Küche: Hier kumulieren sich die Geschichten. Wir könnten durchaus noch verweilen, gäbe es in diesem Haus nicht einen genuinen Ort, der ihm auch seinen Namen gab. Über eine Aussentreppe erreichen wir den Keller und betreten gleich die Backstube, datiert aus dem Jahre 1651. Der Besucher schaut, sieht Gerätschaften, entdeckt den mit Schamottsteinen geschichteten, runden Ofen und erfährt von Grossvater Kull ein bautechnisches Detail: «Das voluminöse Gewölbe dieses Ofens musste mithilfe eines Leergerüstes aufgebaut werden – wie einst die Brücken.»
Angeboten von Ferien im Baudenkmal
Übrigens: Im Kunstführer durch die Schweiz, Band III, wird das Ofenhausstöckli mit Foto und Text gewürdigt und dadurch quasi geadelt. Was das heisst, kann neu auch erlebt werden. Weil die Familie Kull ihr Wochenend- und Ferienhaus selber nicht mehr so intensiv nutzt, hat sie es über die Stiftung Ferien im Baudenkmal des Schweizer Heimatschutzes als Mietobjekt zur Verfügung gestellt. Die pragmatische Begründung der Familie: Ein solches Haus muss leben. Und wer hier Ferien mache, wisse, was ihn erwartet. Tatsächlich: kein Skigebiet. Keinen Badeort. Einfach ein Kleinod in einer reizenden Landschaft, zum Verweilen schön.